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Beitrag von
conny2 (1571 Beiträge) am Montag, 19.April.2021, 09:30.
Re: Stillstand
Liebe Marina,
so kann’s gehen. Ich weiß wohl, dass ich das Papst-Franziskus-Zitat zuerst bei verwitwet.de gelesen habe, aber ich wusste nicht mehr, dass Du es hier eingebracht hattest, sonst hätte ich es selbstverständlich erwähnt. Du hast auch völlig Recht damit, dass ich damals nichts damit anfangen konnte, und ich erinnere mich nicht sehr gerne an weitere rigorose Meinungen und Standpunkte, die ich damals hatte, insbesondere zum Thema „Neue Partnerschaft.“ Da bin ich mittlerweile viel weiter; weniger was mich selbst betrifft als im Verständnis für andere Meinungen und Haltungen. Dazu hat nicht zuletzt die Sichtweise von Papst Franziskus beigetragen, weshalb ich Dir sehr zu Dank für das Zitat verpflichtet bin und dafür, dass Du darauf aufmerksam gemacht hast.
Was mich an diesem Zitat lange beschäftigt hat, war nicht nur das Wachrütteln des Papstes im Hinblick darauf, dass wir als Verwitwete noch Aufgaben zu erfüllen haben und es nicht im Sinne Gottes ist, wenn wir in Trauer versinkend unser Leben ruinieren, sondern dass es noch eine andere durchaus lebens- und liebenswerte Art der Begegnung mit Verstorbenen gibt, als ihre körperliche Anwesenheit. Daran halte ich mich.
Auch Dir alles Liebe und Gute Conny2
Beitrag von
marina71 (273 Beiträge) am Sonntag, 18.April.2021, 19:36.
Re: Stillstand
Lieber Conny,
auch ich fand deinen Beitrag sehr berührend.
Ich hoffe aber auch, du verzeihst mir, dass ich beim Lesen auch etwas schmunzeln musste, denn ich war es, die vor inzwischen bereits einigen Jahren mit dieser Passage aus Amoris Laetitia auf einen Beitrag von dir geantwortet hatte. Ich glaube mich zu erinnern, dass du damals nicht allzu viel damit anfangen konntest und auch in etwa sinngemäß geantwortet hast, da der Papst nicht nach langer Ehe seine Frau verloren habe, könne er wohl auch kaum diese Trauer nachvollziehen.
Diese Worte von Papst Franziskus scheinen dich aber doch nachhaltig beschäftigt zu haben - ich glaube, du hattest sie zwischenzeitlich schon das ein oder andere Mal zitiert - und du lehnst diese Gedanken nicht mehr so kategorisch ab wie damals. Und ich habe mich auch gefreut zu lesen, dass du noch Aufgaben zu erfüllen hast, am Leben anderer teilnimmst, ihnen helfen kannst, aber auch täglich die Liebe deiner Frau erfährst.
Die Zeit bringt unsere Verstorbenen nicht mehr wieder, sie heilt auch nicht alle Wunden. Aber manchmal erlaubt sie uns doch, einen anderen Blickwinkel zu bekommen und damit weiterzuleben.
Dir alles Gute und liebe Grüße Marina
Beitrag von
yvba71 (1 Beitrag) am Donnerstag, 15.April.2021, 22:42.
Re: Stillstand
Dankeschön für die aufbauenden und sinnvollen Worte. Hat mich tief bewegt und auch ein Stück weitergebracht.
Yvonne
Beitrag von
Clelia (124 Beiträge) am Donnerstag, 15.April.2021, 09:59.
Re: Stillstand
Joi,ich bin sprachlos - aus tiefstem Herzen Danke für Deine Worte, "Conny" ! Das alles werde ich noch ein paar Mal lesen und im Herzen bewegen, sozusagen. Dankeschön! Clelia
Beitrag von
conny2 (1571 Beiträge) am Mittwoch, 14.April.2021, 21:05.
Re: Stillstand
Fatal. Heute morgen ging es noch. Hier ist der Text: * Beitrag von conny2 (1568 Beiträge) am Donnerstag, 11.April.2019, 09:19.
Was bleibt, ist die Liebe
Der Tod, sagt der Psychotherapeut Roland Kachler, beendet das Leben eines geliebten Menschen, nicht aber die Liebe zu ihm. Die Liebe wolle weitergehen und nun auf eine andere Weise gelebt werden. Daher hält er das „Loslassen“ des Verstorbenen für das größte Missverständnis über die Trauer. Trauernde wollten den Verstorbenen nicht vergessen oder ihn gar ins Nichts, ins Leere, loslassen (1).
Es gibt freilich auch eine Gegenansicht, die meint, das Loslassen sei geradezu eine zwingende Voraussetzung für wahre Liebe. Deshalb müsse man sich nach dem Tod des Partners von der Vergangenheit befreien, von den Gegenständen, dem Schmerz, der uns durch die Erinnerungen überkomme, wie die Wogen, die unser wundes Herz umspülten. Lass los, lautet daher der Rat der Life Coaches, und trenne dich selbst und damit auch den Verstorbenen vom Schmerz der Trennung (2).
Ich muss bekennen, dass mir die letztere Ansicht nicht zusagt. Das Loslassen mag zu Lebzeiten der Partner seine Berechtigung haben, wo es gilt, sich nicht gegenseitig die Freiheit zu nehmen und den anderen nicht mit seiner Liebe zu erdrücken. Aber ich bezweifle, dass dies auch nach dem Tod der Partnerin/des Partners die richtige Sichtweise ist.
Die 1990 verstorbene Schriftstellerin Anne Philipe teilte nach dem Tod ihres Mannes ihre Erfahrungen bei seinem Leiden und Sterben mit, in dem Bemühen, darin einen Sinn ohne Gott zu finden, u.a. mit den bewegenden Worten (3):
„Ich habe dich zu sehr geliebt, um hinzunehmen, dass dein Körper verschwindet, und zu verkünden, dass deine Seele genügt und weiterlebt. Und wie soll man es anstellen, sie voneinander zu trennen und zu sagen: Dies ist seine Seele, und das ist sein Leib? Dein Lächeln und Blick, dein Gang und deine Stimme, waren sie Materie oder Geist? Beides, aber untrennbar.“
So dachte ich auch lange. Aber die Trennung ist ja nicht zu leugnen. Die Materie ist nicht mehr da. Und wenn Materie und Geist untrennbar sind, kann auch der Geist nicht mehr da sein. Aber seit es Menschen gibt, glauben sie, dass die Materie nicht alles ist. Woher wollen wir es besser wissen? Bekanntlich gibt es mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als Schulweisheit sich träumen lässt. Wenn es nach dem Tod überhaupt noch etwas gibt, dann ist es, abgesehen von zurück gelassenen Sachen, jedenfalls nichts Materielles. Wer das nicht gelten lässt, steht unweigerlich vor dem Nichts. Er muss sich ganz im Diesseits einrichten und hat es schwer, seine Liebe zu der/dem Verstorbenen weiter zu leben, jedenfalls wenn ihm die Erinnerungen nicht genügen.
Auf der Suche danach, wie es sein könnte, stieß ich auf eine Stelle im päpstlichen Schreiben Amoris Laetitia von Papst Franziskus, wo er sagt:
„Irgendwann während der Trauer muss man zu der Einsicht verhelfen, dass wir, wenn wir einen geliebten Menschen verloren haben, immer noch eine Aufgabe zu erfüllen haben und dass es uns nicht gut tut, das Leiden in die Länge ziehen zu wollen, als sei das eine Huldigung. Der geliebte Mensch hat weder unser Leiden nötig, noch erweist es sich für ihn als schmeichelhaft, wenn wir unser Leben ruinieren. Ebenso wenig ist es der beste Ausdruck der Liebe, jeden Moment an ihn zu denken und ihn zu erwähnen, denn das bedeutet, von einer Vergangenheit abhängig zu sein, die nicht mehr existiert, anstatt diesen realen Menschen zu lieben, der sich jetzt im Jenseits befindet. Seine physische Gegenwart ist nicht mehr möglich, doch wenn der Tod auch mächtig ist: » Stark wie der Tod ist die Liebe « (Hld 8,6). Die Liebe besitzt eine Intuition, die ihr erlaubt, das Lautlose zu hören und das Unsichtbare zu sehen. Das bedeutet nicht, sich den geliebten Menschen so vorzustellen, wie er war, sondern ihn verwandelt anzunehmen, wie er jetzt ist. Als Jesu Freundin Maria ihn nach seiner Auferstehung fest in die Arme schließen wollte, bat er sie, ihn nicht anzurühren (vgl. Joh. 20,17), um sie zu einer anderen Art der Begegnung zu führen.“ (4)
Das hat mich sehr beschäftigt. Zum einen weil es anmahnt, dass wir uns nach dem Tod unserer Liebsten nicht aufgeben dürfen, weil die Trauer leider ja auch destruktive Verhaltensweisen in uns hervorbringt, zum anderen aber auch, weil es die Möglichkeit einer anderen Art der (Wieder-)Begegnung mit dem Verstorbenen andeutet, als die körperliche Begegnung, wie wir sie kannten und nach der wir uns sehnen. Selbst wenn Materie und Geist untrennbar sein sollten - warum halten wir uns nicht einfach an die Liebe?
So wie mir einleuchtet, dass die Liebe stärker ist als der Tod, eben, weil sie nicht mitstirbt, frage ich mich auch, wieso sie stärker sein sollte als der Tod, wenn sie am Ende doch nur ins Nichts führte? Das ergibt keinen Sinn. Mag der Tod auch die Liebe, wie wir sie vordem kannten und lebten, beendet haben, und mag uns der Schmerz darüber niederdrücken bis auf den Boden unserer Existenz, so ist dies doch nicht das Ende der Liebe, sondern die gewiss schmerzliche Hinwendung zu einer anderen Art der Begegnung mit dem Verstorbenen, und wobei es tröstlich ist, dass die Liebe das Lautlose zu hören und das Unsichtbare zu sehen vermag. Damit kann ich auch vereinbaren, dass es nicht nur um unsere eigene Liebe zu dem Verstorbenen geht, sondern auch um seine Liebe zu uns. Schließlich hat er uns bis zu seinem letzten Atemzug geliebt. Warum sollte er sich dort, wo er jetzt ist, von uns losgesagt haben oder sich dadurch eingeengt fühlen, dass wir ihn nach wie vor lieben und uns nicht von ihm trennen wollen? Ich jedenfalls habe keinen Grund zu der Annahme, dass mich meine Frau nicht mehr liebt. Darin finde ich Trost vor allem anderen, denn was wäre die Liebe, wenn wir sie zwar entgegenbringen aber nicht auch empfangen dürften?
Von diesem Ausgangspunkt her, können wir weiter leben, ohne auf die Liebe zu unseren Verstorbenen verzichten zu müssen. Aber wie liebt man einen Verstorbenen über das liebevolle Andenken an ihn hinaus und wie lieben Verstorbene uns? Tatsächlich gibt es dafür mehr Möglichkeiten als man zunächst denkt.
Gewiss müssen wir vieles entbehren, das uns lieb und teuer war. Den Sinneseindrücken fehlt die partnerschaftliche Entsprechung. Es gibt keine körperliche Nähe mehr, keine Berührung, keine Zärtlichkeit, kein liebevolles Necken, kein gemeinsames kulturelles Erleben, kein Wandern in der Natur, Hand in Hand. Der Alltag muss alleine organisiert und bewältigt werden. Einsamkeitsgefühle kommen auf, auch wenn wir uns ablenken oder sonst dagegen ankämpfen. Das alles erfahren wir schmerzlich, und ich rede mir nicht ein, es machte mir nichts aus. Das Alleinsein ist nicht schön, zumal, wenn einen auch noch das Alter zwickt. Trauer darf nicht einsam machen, wohl war. Einsame Menschen haben mitunter eine negative Ausstrahlung, sagt die Psychologin Maike Luhmann, was die Isolation verstärkt – eine Negativspirale (5). Darin möchte ich mich nicht um mich selber drehen. Also nehme ich das Leben dankbar an, obwohl mir das Alleinsein nicht gefällt. Ich habe vom Leben vieles geschenkt bekommen. Sein schönstes Geschenk, war die Liebe meiner Frau. Wie könnte ich undankbar sein?
Tatsächlich geht auch noch eine ganze Menge. Auch ich habe noch Aufgaben zu erfüllen. Als Freiberufler bestimme ich das Ende meiner beruflichen Aktivitäten zum Teil selbst. Ich habe Menschen um mich, die mich mögen. Ich gönne mir die eine oder andere Annehmlichkeit. Ich kann anderen helfen und nehme am Leben Anteil. Aber das Schönste ist die nie endende Liebe zu meiner Frau und ihre Liebe zu mir, die ich auch heute noch tagtäglich erfahre. Nur anders als früher, aber nach wie vor als ihr immerwährendes Geschenk an mich.
conny2
1) https://www.rundschau-online.de/interview-trauer-darf-nicht-einsam-machen-10232238 2) https://www.bettinahielscher.de/tod-akzeptieren/ 3) Anne Philipe, zitiert bei Yoric Spiegel in „Der Mechanismus der Inkorporation“: http://www.pkgodzik.de/fileadmin/user_upload/Trauerbegleitung/Inkorporation.htm 4) http://w2.vatican.va/content/dam/francesco/pdf/apost_exhortations/documents/papa-francesco_esortazione-ap_20160319_amoris-laetitia_ge.pdf (s. daselbst S. 225) 5) https://www.zeit.de/2019/15/maike-luhmann-einsamkeit-psychologie-soziale-kontakte
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